Manifest des Guerilla Open Access

German translation of the Guerilla Open Access Manifesto by Aaron Swartz, translated by Jan-Christoph Borchardt.

Information ist Macht. Und wie bei jeglicher Macht gibt es jene, die sie für
sich behalten wollen. Das komplette wissenschaftliche und kulturelle Erbe der
Welt, über Jahrhunderte in Büchern und Fachzeitschriften veröffentlicht, wird
mehr und mehr von einer Handvoll privater Konzerne digitalisiert und
weggeschlossen. Möchtest du die Papers mit den bekanntesten wissenschaftlichen
Ergebnissen lesen? Dann musst du enorme Summen an Verleger wie Reed Elsevier
senden.

Einige Leute wehren sich, um dies zu ändern. Die Open-Access-Bewegung kämpfte
tapfer um dafür zu sorgen, dass Wissenschaftler ihre Urheberrechte nicht
abgeben, sondern stattdessen sicherstellen, dass ihre Arbeit im Internet
veröffentlicht ist, unter Bedingungen, die jedem darauf Zugriff erlauben. Aber
selbst im besten Fall wird sich ihre Arbeit nur auf zukünftig veröffentliche
Werke auswirken. Alles vor dem jetzigen Zeitpunkt wird verloren sein.

Dieser Preis ist zu hoch. Akademiker zwingen, für das Lesen der Arbeiten ihrer
Kollegen Geld zu bezahlen? Komplette Bibliotheken scannen, aber nur
Google-Angestellten erlauben, sie zu lesen? Studenten von Elite-Universitäten
der Ersten Welt wissenschaftliche Artikel bereitstellen, aber nicht für Kinder
im globalen Süden? Es ist abscheulich und inakzeptabel.

»Ich stimme zu,« sagen viele, »aber was können wir tun? Den Firmen gehören die
Urheberrechte, sie machen durch die Zugriffsgebühren enorm viel Geld, und alles
ist vollkommen legal – wir können nichts tun, um sie zu stoppen.« Aber wir
können etwas tun, etwas was bereits getan wird: Wir können zurückschlagen.

All jene, die Zugriff auf diese Ressourcen haben – Studenten, Bibliothekare,
Wissenschaftler – euch wurde ein Privileg gegeben. Ihr könnt an diesem Bankett
des Wissens speisen, während der Rest der Welt ausgesperrt ist. Aber ihr müsst
dieses Privileg nicht – tatsächlich könnt ihr es moralisch nicht – für euch
selber behalten. Ihr steht in der Pflicht, es mit der Welt zu teilen. Und ihr
macht es bereits: Passwörter an Kollegen weitergeben, Sachen für Freunde
herunterladen.

Währenddessen bleiben die Ausgesperrten nicht einfach untätig. Ihr seid durch
Löcher geschlüpft und über Zäune geklettert, habt die von Verlegern
weggeschlossene Information befreit und sie mit euren Freunden geteilt.

Aber all dies läuft im Dunkeln ab, versteckt im Untergrund. Es wird Diebstahl
und Raubkopieren genannt, als ob das Teilen eines Wissensschatzes das morale
Äquivalent zu einer Schiffsplünderung und Ermordung der Crew wären. Aber Teilen
ist nicht unmoralisch – es ist ein moralischer Imperativ. Nur jene von Habgier
geblendeten würden einem Freund verweigern, eine Kopie zu erstellen.

Große Konzerne sind natürlich von Habgier geblendet. Das ist bedingt durch die
Gesetze, unter denen sie agieren – ihre Shareholder würden sich mit weniger
nicht zufrieden geben. Und ihre gekauften Politiker verteidigen sie; erlassen
Gesetze, welche ihnen die exklusive Entscheidungsmacht geben, wer Kopien
anfertigen darf.

Es ist keine Gerechtigkeit, ungerechte Gesetze zu befolgen. Es ist Zeit, ins
Licht zu gehen und, in der großen Tradition zivilen Ungehorsams, unseren
Widerstand gegen diesen kulturellen Diebstahl an der Öffentlichkeit zu
verkünden.

Wir müssen Information nehmen, egal wo sie gespeichert ist, unsere Kopien machen
und diese mit der Welt teilen. Wir müssen Sachen nehmen, deren Urheberrecht
abgelaufen ist und es zum Archiv hinzufügen. Wir müssen geheime Datenbanken
kaufen und diese online stellen. Wir müssen wissenschaftliche Fachzeitschriften
herunterladen und sie auf File-Sharing-Seiten hochladen. Wir müssen für Guerilla
Open Access kämpfen.

Mit genügend von uns, weltweit, werden wir nicht nur eine starke Botschaft gegen
die Privatisierung von Wissen senden – wir werden es vollständig abschaffen.
Wirst du dich uns anschließen?

Aaron Swartz

Juli 2008, Eremo, Italien